Terror Büro 3000
21.12.2008 - 18.1.2009
Beni Bischof zeichnet obsessiv. Seine pointierten, kleinformatigen Illustrationen publiziert er zusammen mit witzig arrangierten Collagen als Low-Budget-Magazin unter dem Namen «Laser». Billig, messy, überbordend, subversiv kommt das Ganze daher. Dabei kreisen seine Arbeiten meist um dieselben Themen: Gewalt, Angriff, Vergeltung, Verbunkerung. Diese variiert er, kombiniert Gezeichnetes mit Geschriebenem und versucht die Essenz imaginierter Konfliktsituationen visuell zu übersetzen – immer mit einem ausgeprägten Sinn für Irrwitz und Unsinn. Für das Ausstellungsprojekt Le-lieu im appenzellischen Trogen hat Beni Bischof im Untergeschoss des Palais Bleu einen temporären Atelierraum eingerichtet und gezielt einzelne Werke im Haus platziert. Entstanden ist eine Gesamtinstallation, die Einblick in Bischofs Arbeitsprozess gewährt und zugleich eine gelungene Auseinandersetzung mit den Räumlichkeiten – eines ehemaligen Kranken- und Pflegeheims – und der Aura des Ortes darstellt.
Dabei ist der kleine Raum im Untergeschoss Beni Bischofs Basislager. Angereichert mit Zeichnungen, Ölbildern, Collagen, Objekten, Zeitschriften, Arztromanen, einer Wanduhr mit zuckendem Zeiger und einem Arbeitstisch gibt der Raum Aufschluss über Bischofs Art zu Denken und zu Arbeiten. Dabei wird klar: Die Werke entstehen spontan, impulsiv und sind unmittelbare Reaktionen auf das, was in der Welt passiert. Oft nimmt Bischof Bezug auf Berichte über Krieg und Zerstörung, wie sie uns täglich über die Medien erreichen. Die vorgefundenen Bilder lässt er direkt oder als zeichnerische Kommentare in sein Werk einfliessen und nimmt dabei bewusst eine anti-intellektuelle Haltung ein. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Wahl der unsicheren, naiv wirkenden Handschrift seiner Kommentare sowie in der Darstellung unlogischer und sinnloser Situationen. Es ist dieser beharrliche, draufgängerische und von Zorn angetriebene Produktionsgeist, der Bischofs Kunstmachen in die Nähe terroristischer Aktivitäten rücken lässt. Er selbst kokettiert gekonnt mit diesem Guerilla-Image und nennt sein provisorisches Atelier im Palais Bleu: «Terror Büro 3000». Neonlicht und die übersteuerte Wiedergabe eines Heizungsleitungsgeräusches verstärken dieses Bild. Dramaturgisch gesehen ist die Errichtung eines Basislagers im Keller ein schlauer Schachzug. Als Rohstofflager und Planungsbüro vermittelt dieser kleine Raum einen guten Überblick über das aktuelle Schaffen von Beni Bischof und lässt uns die relativ weit verstreuten Werkgruppen nicht nur im Kontext des Hauses, sondern gleichzeitig im Kontext seines eigenen Werkes betrachten.
Ein zentrales Thema in vielen Arbeiten von Beni Bischof ist die Macht und insbesondere die Frage danach, wie sie strukturiert ist. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Burgenserie, aus der drei Werke im Kellergeschoss des Palais Bleu zu sehen sind. Bischofs Burgen sind vollkommen: Sie sind massiv, haben keine Luken, keine Fenster und keine Tore. Die dadurch sehr skulptural wirkenden Burgen sprechen eine klare Sprache: ohne Öffnungen kein Eindringen. Das heisst aber auch, wer in der Burg drin ist, sitzt dort fest. Bischofs Bilder scheinen uns daran erinnern zu wollen, welchen Preis man für die absolute Sicherheit zahlt, nämlich den der individuellen Freiheit. Seine Strategie im Umgang mit dem vorgefundenen Bildmaterial besteht darin, die Bildinformation so zu reduzieren, dass die Komplexität der Bildaussage gesteigert wird. Das heisst in diesem Fall, er macht sich das allgemein verständliche Bild der Burg als Symbol der Macht und Wehrhaftigkeit zu eigen und lässt, indem er es manipuliert, zugleich die inhärenten Missbrauchsstrukturen eines solchen Machtinstruments sichtbar werden.
Im Palais Bleu zeigt Bischof auch Werke aus seinen Werkgruppen «Phantomia» und «Schmelzköpfe». Anders als in seinen anderen Arbeiten kreisen diese nicht um Strukturen menschlichen Handelns, sondern um die Frage der Identität. Bischofs Porträts sehen alle ähnlich aus. Erkennbar ist dabei die Kontur des Kopfes, während das Gesicht aus eng aneinandergereihten, unzusammenhängenden Strichen besteht und keine benennbaren Gesichtszüge besitzt. Ausserirdische, Aussätzige, Mumien, Vermummte – Bischofs Wesen können vieles sein und genau im Fehlen dieser Eindeutigkeit liegt ihr Reiz. Bezeichnenderweise sehen auch Bischofs Kebab-Bilder seinen Porträts sehr ähnlich – gleiche Umrisse, gleiche Strichführung. Offensichtlich lässt sich Bischof von der äusseren Erscheinung der Dinge leiten und geht dabei sehr assoziativ vor. Seine Gesichter können sowohl schichtweise zusammengepresstes Hammelfleisch sein als auch mysteriöse Schrumpfköpfe, wie sie die Naturvölker Südamerikas kultivieren, indem sie den Kopf des Gegners als ultimative Rache und im Sinne einer Trophäe auf mysteriöse Art und Weise zusammenschrumpfen lassen. Und wenn wir dieses assoziative Spiel weitertreiben, so können die Köpfe in der Art und Weise, wie Bischof die Pinselstriche nebeneinander setzt, auch als vergrösserte Fingerabdrücke gelesen werden, was insofern interessant ist, als dass der Fingerabdruck ein Verweiszeichen auf die «wahre» Identität einer Person ist. Im Kontext des Palais Bleus wiederum sind Beni Bischofs Porträts auch als Auseinandersetzung mit dem Thema Alter, Abbau und Zerfall zu betrachten, und die gezeichneten Linien innerhalb des Gesichtes werden zu Falten und runzliger Haut. Es scheint, dass Bischofs Porträts den Moment der Differenzierung umkreisen, den Zeitpunkt, in dem etwas von einem unbestimmten in einen definierten Zustand wechselt und somit Identität annimmt. Darin enthalten ist natürlich auch der umgekehrte Prozess des Identitätsverlustes, mit dem wir, gerade im Alter, zusammen mit dem kontinuierlichen Zerfall unseres Körpers konfrontiert sind. Bischof versucht in seiner Serie «Phantomia und Schmelzköpfe» dieser Brüchigkeit des Ich- und des Abbildes nachzukommen, in dem er alles was er malt nur andeutet und gleich wieder verwischt.
Es ist das Unbehagen oder die Ohnmacht, die sich bei der täglichen Nachrichtenflut einstellt, die Bischof zum Arbeiten antreibt und die in seinen Werken spürbar ist, sei es in Form sarkastisch-ironischer Kommentare oder unbeseelter Burgen. Es ist aber auch die Freude am freien Assoziieren, am planlosen und obsessiven Zeichnen und Malen, die Bischofs Schaffen charakterisiert. Auffallend ist, dass Beni Bischof bislang fast immer in schwarz-weiss gearbeitet hat. In seinen Text-Bild-Arbeiten könnte man die Wahl des Schwarz-Weissen in die Tradition der politischen Karikatur stellen. Wenn der Karikatur die Aufgabe zufällt, die aktuelle politische Lage auf witzige Weise kritisch zu beleuchten, so trifft das auch auf Bischofs Blätter zu. Charakteristisch für sein Werk ist aber letztlich nicht nur der scharfe Blick auf das Geschehen der Welt, sondern vielmehr die sehr subjektive Sicht auf die Dinge. Dabei spielen Printmedien und in diesem Sinne auch das Schwarz-Weisse eine wichtige Rolle: Sie sind Inspirationsquellen und liefern Vorlagen. Doch Beni Bischofs Aufmerksamkeit gilt nicht dem vermeintlich Faktischen. Vielmehr sind es die Grauwerte, das Unsichtbare und Ungesagte, und all das, was zwischen den Zeilen steht, das er in den Fokus nimmt. Dieses verdichtet er zu persönlichen Wahrheiten und setzt sie – schwarz auf weiss – ins Bild.
Nadja Baldini, Dezember 2008
- Tagblatt 18.12.2008 / Ursula Badrutt Schoch (PDF, 118.9 KB)