Successes and Traumas
30.9. - 14.11.2010
Vanessa Safavis Installationen und Objekte zeichnen sich durch grosse Sensibilität in der präzisen Auswahl der Materialien und gleichzeitig erfrischenden, ironisch-witzigen Non-Chalance derer Kombinationen aus.
Aus ihrem eigenen, multikulturellen Hintergrund, aus ethnologischen Recherchen, eigenen Erfahrungen und Reisen, bringt Vanessa Safavi Referenzen, Objekte und Materialien aus unterschiedlichen Kulturen zusammen, lässt sie zusammentreffen, ohne dabei jedoch eine Kultur über die andere zu stellen, ohne moralisch zu werden. Gegensätze scheinen ihre Arbeit zu prägen: Natur versus Industrie, Exotik versus Alltag, Minimalismus versus Pop und eben: Successes and Traumas, Erfolge und (oder versus) Traumas.
Für Le-lieu arbeitete die junge Lausanner Künstlerin während einer Woche vor Ort und entwickelte eine vielschichtige Installation, in der sie Bezüge zur Bedeutung des Palais Bleus, seiner Geschichte, aber auch Materialien aus der Umgebung einbezog.
Für ihre Installation konzentrierte sich Vanessa Safavi auf den Korridor des 2. Stockes. Es ist wohl einer der neutralsten Orte im Palais Bleu und gleichzeitig auch einer der öffentlichsten Räume des Hauses: Durch den Korridor gehen sie alle mehrmals täglich, die BewohnerInnen und BesucherInnen des Hauses. Hier kreuzen sich Wege, geschehen Zusammentreffen. Und schliesslich ist in diesem Flur vielleicht auch noch am meisten etwas von dem zu spüren, was das Haus einmal war; man kann sich in dem hellen, weiss-grauen Gang die einstige Krankenhaus-Atmosphäre sehr gut vorstellen. Das Krankenhaus – ein Ort von Traumas und Erfolgen, von Heilung, Rettung und von Verlorensein.
Auf diese ehemalige Funktion des Palais Bleus als Krankenhaus spielt Safavi in ihrer Ausstellung auf verschiedenen Ebenen an. Fünf unterschiedlich grosse, farbige und transparente, Gymnastikbälle gruppiert sie im langen Raum. Sie sind die auffälligsten Elemente in der sonst reduzierten, minimalistischen Ausstellung und geben ihr den gewissen Pop-Effekt, den die Künstlerin immer wieder gekonnt in ihren Arbeiten einsetzt.
Die Malereien, die sie, unaufgespannt, mit Nägeln direkt an die Wand hängt, sind nach der Methode der Rorschachtests (also durch Falten und Abdrucken der Leinwände) entstanden. Maluntergrund ist Hanfstoff, bemalt wurde er mit Silikon. Hier kombiniert Vanessa zwei grundsätzlich verschiedenen Materialien, die auch ganz unterschiedliche Assoziationen hervorrufen: Auf der einen Seite Hanf – zu dem einem Alternativmedizin, Naturprodukte, aber auch Halluzination oder Ekstase einfallen – auf der anderen Seite der Kunststoff Silikon, der in der Medizin auch gerne zur Nachbildung von Körperteilen benutzt wird.
Im Gang verteilte Stapel von Zeitschriften und an die Wand gelehnte Bambusstöckchen geben der Ausstellung eine Art Struktur. Auch hier lassen sich Assoziationsketten bilden: von den exotisch anmutenden Bambusstäben, die Gehstöcke sein könnten und die Zeitschriftenstapel, die an Arztpraxen erinnern mögen, wo wir unsere Zeit mit den Lebens- und Leidensgeschichten der Cervelatprominenz totschlagen.
Vanessa Safavi ist im Palais Bleu eine präzise, formal durchdachte Installation gelungen, die inhaltlich auf verschiedenen Ebenen lesbar ist.
Christiane Rekade, September 2010
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Eine Mini-Variante von Vanessa Safavis Arbeit wird im Minimuseum viganò vom 23.10. bis 28.11.2010 in Rapperswil gezeigt. Zudem findet ein Filmabend statt. Es wird der Film «Il Baggio di Tosca» von Daniel Schmid gezeigt, in dem alternde Diven und andere verbleichende Stars ihrem Dasein herzerwärmend und zugleich schonungslos entgleiten.
Am 28.11.2010 erläutert Karin K. Bühler (Initiantin von Le-lieu) im Gespräch mit Andri Köfer (Betreiber des minimuseum viganò, zusammen mit Daniela Villiger) das Projekt «Le-lieu» – bei butterweichem Zopf und starkem Kaffee.
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- Tagblatt 12.10.2010 / Kristin Schmidt (PDF, 68.2 KB)